Eingestellt: | 2011-03-31 |
---|---|
Aufgenommen: | 2011-03-26 |
TS © | |
Moin, ich erlaube mir mal einen alten - nach forumsgeschichtlichen Zeitaltern gerechnet - Text zu recyclen und mit neuem Material versehen erneut einzustellen: Lepidurus apus / 'Kleiner Kiemenfuß od. Rückenschaler' ist ein lebendes Fossil. Die Form hat sich seit dem Oberen Karbon (seit ca. 300 Mio. Jahren !) nicht verändert. Sie lebten also schon zu Zeiten der ersten Reptilien und sind älter als alle Säugetiere und Vögel, ja sogar als die Dinosaurier, als unsere Steinkohle- und Ölvorkommen ihren Ursprung hatten. Das kein besseres Foto entstanden ist, lag u.A. daran, dass sie natürlich unter Wasser leben und der Begriff 'wenigstens mal für eine 250stel Sek. stillhalten' seit 300 Mio. Jahren für sie offenbar keine Bedeutung hat (Das abbgebildete Ex. ist etwa 10-15 mm lang, inkl. Hinterleibsanhänge, durch die Wasseroberfläche fotografiert) Auffälligstes Merkmal ist der Rückenschild, der (bis auf den Hinterleib) den ganzen Körper bedeckt. Die insgesamt 3 Augen schauen auf der Oberseite heraus. Diese kleinen Krebschen sind derart ursprünglich, dass sie auf der Unterseite an fast allen Segmenten Beine haben (um die 60-70 Paare). Der griechische Name 'apus', also 'der Fußlose', den Carl von Linné ihm gab ist damit nicht zu verstehen. Die Überlebensstrategie über eine so lange Zeit ist vermutlich darin begründet, dass sie bei uns als Frühjahrsform, Hier der Lebensraum mal abgebildet - eine Qualmwasser'pfütze' an der Unteren Mittelelbe in Niedersachsen. Bei uns ist Lepidurus apus nicht sehr häufig, bzw. wird vielfach übersehen. Man muss schon genau wissen wo und v.A. wann man nach ihnen suchen soll. Ein naher Verwandter ist der etwas größere 'Triops cancriformis' (sieht genau so aus, ist eben so alt, aber Sommerform), von dem berichtet wird, dass (der an der Natur sehr interessierte) Goethe einmal ein Ex. zu Gesicht bekam und derart gefesselt war, dass er dem Finder eines weiteren Ex. einen ganzen Taler (also viel Geld) geboten haben soll. Obwohl viele ausschwärmten, ein weiteres Ex. zu finden, musste er den Finderlohn nie bezahlen. Häufiger Begleiter ist ein anderer Urzeitkrebs: Eubranchipus grubii. Er ist mit Lepidurus apus oft vergesellschaftet und lebt ähnlich in den gleichen flachen, temporären Gewässern. Sie schwimmen eigentlich immer in Rückenlage, so wie dieses Weibchen, dass bereits Eipakete trägt. Die Art wird bis zu 28 mm lang, aber weniger auffällig. Hätten sich diese Arten nicht an den extremen Lebensraum der nur sehr kurze Zeit wasserführenden Lachen angepasst - die Fische hätten diesen wehrlosen und bedächtig langsamen Schwimmern vermutlich schon längst "den Gar ausgemacht". Die Eier halten jahrelang aus, sie brauchen keine hohen Temperaturen und entwickeln sich rasant. Eine Anpassung, die sie über eine Viertelmillarde Jahre lang nahezu unverändert hat überleben lassen. Eben echte "Ureinwohner", wenn man so will. Für mich absolut ehrfürchterbietend! Ich hoffe die kleine Doku gefällt und grüße |
|
Fotografischer Anspruch: | Dokumentarisch ? |
Natur: | Naturdokument ? |
Größe | 379.5 kB 900 x 600 Pixel. |
Ansichten: | 3 durch Benutzer410 durch Gäste669 im alten Zähler |
Rubrik Unter Wasser: |
erst anfang der Woche bin ich ihnen(E.grubii) begegnet.. und nun stolper ich hier über dein/e Bilder
sehr informative beschreibung und super Bilder!
Liebe Grüße,
Andy
@Jan
Die Triopse aus dem Kosmos-Karton gibt es sicherlich auch nur deshalb, weil sie ebenso hart gesotten sind und als Ei mühelos Jahre in einer Plastiktüte (oder wie auch immer die verpackt sind) überleben können. An der oben abgebildeten Stelle hat vermutlich auch jahrelang kein Wasser gestanden, die Umgebung tendiert eher Richtung Trockenrasen, so dass hier offensichtlich auch Eier eine sehr lange Durststrecke überdauert haben. Kaum steht das Wasser mal ein wneig höher und drückt unter die Deiche durch - schwupps sind sie da!
@Heiko
Branchipus schaefferi ist entlang der Elbe auch an mehreren Stellen nachgewiesen, gefunden habe ich sie leider noch nicht. Offenbar sind sie spärlicher als Lepidurus, Triops und Eubranchipus.
@Tobias/Pascale
Ich mag ja eigentlich die "nur schön" fotografierten Motive auch sehr gerne, ein deutlicher Sättigungseffekt ist jedoch irgendwann bei mir eingetreten und damit verbunden sowas wie ein "back to the roots" (weshalb es auch ein "Reload" mit neuen Bildern eines meiner allerersten Fotos in diesem Forum ist - 6 Jahre ist das her... puuhhh. ). Ich habe das "was" im Foto im Verhältnis zum "wie" nie aus den Augen verloren oder gar abschütteln können, und auch nicht wollen... so dass ich jetzt wieder bei "Null" im Forum gelandet bin, wenngleich ich sehr viel in Sachen Fotografie und EBV in der Zwischenzeit hier GERADE durch die "nur schön" fotografierten Motive mitschneiden konnte. Umsetzbar ist das Gelernte bei Motiven wie diesen nur leider oft nicht, die Bedingungen sind oft anders, schwieriger und/oder aber mir einfach zu mühsam... Eine Kritik an den Naturfotos, die sich in erster Linie durch Hübschsein und erstklassig ausgefeilter fotografischer Leistung auszeichnen, jedoch in der "Naturinteressantheits-Note" dann Schwächen aufweisen, obliegt mir wiederum auch nicht. Ich selbst versuche sie oft zu produzieren, erkenne aber, dass ich dort nicht den entsprechenden Ehrgeiz entwickele und nicht mit halten kann bzw. will. Warum sollte ich auch, wenn ich die Gewichtung beim Thema Naturfoto doch gänzlich anders lege...? So kommt es dann zu entsprechenden Beiträgen, wie diesem. Es freut mich, dass ich auch damit eine Zielgruppe in diesem Forum erreichen kann, die das teilt.
Danke Euch und grüße,
Thorsten
So ein "lebendes Fossil" ist vielleicht nicht unbedingt nett und dekorativ anzusehen, aber es weiß zu verblüffen ... wie deine wie immer höchst interessanten Informationen, Thorsten! Und wenn schon Goethe so viel Gefallen an diesen Viel-Füßern fand, tun wir ja wohl gut daran, uns auch dafür zu interessieren, was? Danke für deinen Beitrag, Thorsten.
VG,
Pascale
Ich kann mich Tobias nur anschließen. Eine sehr interessante Darstellung gepaart mit guten Fotos.
Viele Grüße !
Florian
setzen, 1 mit Stern!
Überaus erfreulich, daß Du, wie man es von Dir lange Zeit gewohnt war, dem Naturfotografen-Forum mal wieder richtig viel Natur einhauchst. Nun soll sich bitte bloß niemand auf den Schlips getreten fühlen, der "einfach nur" tolle Bilder hochlädt. Aber so ein gerüttelt Maß an hochspannender Information gibt es eben doch nicht alle Tage hier zu lesen.
Im übrigen finde ich auch die Qualität der Aufnahme tadellos, vermittelt sie doch einen sehr guten Eindruck von der Spezies, die Du so ausführlich beschreibst.
Fein gemacht, Thorsten!
viele Grüße
Tobias
danke für die Fotos und die ausführlichen und interessanten Informationen dazu!
Gruß, Jens
eine interessante Dokumentation mit guten Fotos.
Habe mich vor einiger Zeit auch mal mit der Thematik auseinandergesetzt, da hier in der Nähe auch Urzeitkrebse (Echter Kiemenfuss - Branchipus Schaefferi) entdeckt wurden. Genau wie Du beschreibst, leben auch diese in temporären Gewässern.
Danke für´s zeigen.
VG,
Heiko.
ich habe nicht schlecht gestaunt als ich dein Foto gesehen habe. Vor einigen Jahren habe ich mal Triopse gezüchtet aus einem Kosmos Bausatz. Die kleinen Kerlchen sahen sehr ähnlich aus. Ich wusste, dass es auch in der Wildnis noch solche Urzeitkrebse geben soll, aber sie hier mit Lebensraum präsentiert zu bekommen, das finde ich grandios.
Für meinen Geschmack ist es mit den weiteren Bildern im Infotext eine der interessantesten Dokus, die ich hier im Forum bislang gesehen habe. Ich finds ganz toll .
Gruß Jan