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Die Vogelgrippe wütet im Wattenmeer, und in der Presse taucht es kaum auf

Eines vorab:
Dieser Text berichtet von einer einzigen, kleinen Insel und nur einer Vogelart. Aber Gleiches spielt sich aktuell im gesamten Wattenmeer von den Niederlanden, bis hoch zu unbewohnten Inseln im Nordosten Schottlands ab.
Das größte Massensterben durch die Vogelgrippe, welches jemals beobachtet wurde. Und auch erstmals bricht die Vogelgrippe nicht in der kälteren Jahreszeit aus, sondern mitten in der Brut- und Aufzuchtzeit der Vögel, so dass auch die nachfolgende Generation stirbt und bei einigen Arten nahezu ausgelöscht wird.

Hier werden nun Basstölpel gezeigt. Basstölpel sind Koloniebrüter, und daher ist das Virus hier besonders verheerend. In dieser Kolonie, die bis vor wenigen Wochen noch ca. 1500 Brutpaare zählte, sind mindestens 2/3 der Tiere inzwischen verstorben.
Um die Insel herum treiben tote Tiere im Wasser, Alttiere fliegen zum Sterben zur Düne rüber und treiben dort im Wasser herum.

Es riecht nach Fisch, Salzwasser und Verwesung. Überall auf den Felsen liegen Kadaver in unterschiedlichen Alters- und Verwesungsstadien. Überall schwirren Fliegen herum. Die toten Küken liegen im Nest, teilweise mit gestreckten Hälsen, als hätten sie in den letzten Stunden mühsam um Luft gerungen.
Noch lebende, aber hustende Küken sitzen neben einem toten Elterntier im Nest und betteln dieses an. Oder anders herum. Die Alttiere stehen neben ihrem toten Nachwuchs und versuchen teilweise verzweifelt, diese zum Aufwachen zu animieren.

Ein bis vor wenigen Minuten noch einigermaßen agiles Küken beginnt plötzlich zu Keuchen. Es klingt wie Schluckauf eines Kleinkindes. Es wirkt niedlich. Es dauert keine Minute, dann fällt es zur Seite und bleibt liegen. Das Alttier gerät in Panik, hackt auf ihren Nachwuchs ein, rupft ihm Federn aus, nimmt den Kopf des winzigen Tieres in den Schnabel und schüttelt es von einer Seite zur anderen, zieht es immer wieder leblos auf die Füße, wo es dann wieder in sich zusammenfällt. Das Alttier schreit und ist offensichtlich absolut hilflos und verzweifelt.

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Dann bleibt es neben dem Nachwuchs sitzen, rollt den Kopf in das Rückengefieder und kurz zuvor konnte man das bereits schwarze Auge sehen. Zeichen, dass auch sie infiziert und bereits sehr schwer erkrankt ist.

Das Elterntier wird auch sterben. 

In anderen Nestern versuchen die deutlich geschwächten, übrig gebliebenen Elternvögel ihren bettelnden Nachwuchs zu füttern. Aber sie würgen nur Luft aus ihrem leeren Magen hoch. Die Prozedur ist anstrengend, das Küken bettelt weiter, bis das Alttier erschöpft in sich zusammenfällt. Um sie herum die Kadaver der bis vor kurzem noch lebenden Vögel.

Nester mit zwei Alttieren sind kaum noch zu finden. Infiziert ist fast in jeder Vogelfamilie, von der noch Tiere leben, wenigstens ein Vogel und wird bei dem nahen Kontakt den Rest der Familie anstecken.

Ein Ranger des Naturschutzverbandes steht dort täglich und man sieht ihm die Fassungslosigkeit an. Angesprochen, wie er die Lage einschätzt, deutet er in einer ehemals 1500 Brutpaare großen Kolonie auf ein Nest und sagt, dort sei ein Jungtier, welches noch ganz fit aussehen würde. Zwei Tage später hustet es …… Inzwischen wird es verstorben sein.

Die Touristen stehen dort. Während ich dort schweigend mit einer Freundin saß, und uns lautlos die Tränen über das Gesicht liefen angesichts der Katastrophe, kam hinter uns ein älterer Mann die Treppen hinunter. Er war noch nicht auf der Plattform angekommen, als wir ihn hinter uns würgen hörten. Ich drehte mich um, er hielt sich am Geländer fest und erbrach sich fast direkt neben die toten Tiere.

Eine junge Familie war gerade gegangen. Der ca 10-jährige Sohn hatte zu seinen Eltern gesagt, dass es schon komisch sei. Im letzten Jahr seien sie hier gewesen und hätten die Küken gesehen und sich gefreut. Heute würden sie hier stehen und um die Küken trauern. Dann gehen sie weg. Schweigend.

Ich bin froh über diese respektvollen Worte, die merkliche Erschütterung und Betroffenheit, denn sie sind die Ausnahme an diesen drei Tagen.

Die meisten Touristen kommen, sehen sich das Drama an und es kommen Aussagen wie:
„ Kann man die toten Tiere nicht wegräumen? Das sieht ja nicht schön aus!“
„Vogelgrippe hat es immer schon mal gegegeben. Das regelt sich.“
„Muss man halt einmal durchseuchen lassen, dann wird das schon wieder.“
„Kann man nichts machen.“
„Guck mal das Plastik hier in den Nestern. Das ist ja schlimm.“

Ja, das Plastik ist das nächste große Thema. Zwischen den Vogelgrippe-Toten hängen überall erdrosselte Tiere in den Steilwänden. Aber aktuell ist das Plastik zumindest an diesem Flecken Erde tatsächlich das allergeringste Problem. Es löscht keine ganze Kolonie aus, und es war bisher keine Gefahr für die gesamte Arterhaltung.

Und nein, eine Durchseuchung, wie wir es bei Corona gehört haben, hilft hier nicht. Die Vogelgrippe ist für infizierte Tiere zu 100% tödlich, soweit mir bekannt. Es wird keine Tiere geben, die die Infektion überleben und danach etwas Immunität aufgebaut haben, die sie an den Nachwuchs weitergeben.

„Kann man nichts machen“…….
Da ist der Satz, der wirklich weh tat. Doch, da kann man etwas machen. Auf Massentierhaltung verzichten. Vogelgrippe gibt es schon lange. Aber in der Natur richtet sie keinen massiven Schaden an, solange es vereinzelt auftritt. Und gegen den Urtyp des Virus können kräftige, gesunde Tiere tatsächlich ankommen. Aber in unseren Mastanlagen mit zigtausend Tieren, in geschlossenen Räumen, auf kleinstem Raum unter oft fraglichen Hygienebedingungen, mutiert das Virus, breitet sich aus. Es kommt bei Transporten, Massenschlachtungen, über die Abluftanlagen usw zur Verbreitung des Virus außerhalb der Ställe. Der Mist der Ställe wird nicht verbrannt, sondern irgendwo gelagert, wo sich Wildvögel evtl. mal infizieren, wenn sie auf der Durchreise sind. Einige Höfe halten ihre Tiere im Freilauf. Dort auf den Wiesen verirren sich auch mal Wildvögel, die sich dort an dem Futter bedienen und weiterfliegen und das Virus verteilen.
Und dann nimmt das Drama seinen Lauf.

Inzwischen ist eine sehr große Brutkolonie der schon vorher gefährdeten Brandseeschwalbe in den Niederlanden ausgelöscht. Es war eine Kolonie mit 4600 Tieren. Damit dürfte die Brandseeschwalbe im Wattenmeer voraussichtlich künftig verschwinden. Die überlebenden Tiere können wahrscheinlich den Bestand aus eigener Kraft nicht mehr aufbauen.
Ähnliches könnte den Basstölpeln passieren, die momentan stark betroffen sind. Auf dieser Insel sieht es furchtbar aus. Die größte Brutkolonie in Schottland, mit 170.000 Tieren war bereits vor zwei Wochen auf 1/3 geschrumpft. Inzwischen wird das noch dramatischer sein.
Eiderenten, Flussseeschwalben, Kormorane, Skua, usw sind ebenfalls stark betoffen. Einige andere Vogelarten scheinen noch Glück zu haben. Gemeinsam ist den momentan schwer betroffenen Vogelarten, dass es Koloniebrüter sind.

Wieviele Familien und Einzeltouristen wohl nach dem Besuch bei den Basstölpeln erst einmal in ein Restaurant gehen und sich einen Salat mit Hähnchenbruststreifen bestellen, um sich auf den Schreck erst einmal etwas Gutes zu tun?
Oder meckernd über die hohen Fleischpreise an der Fleichtheke lieber rüber in den Supermarkt flitzen?
Aus den Augen, aus dem Sinn. So Bilder möchte man schnell vergessen. Und dass wir daran Schuld sind und Verantwortung tragen, daran will man am liebsten gar nicht erst denken. Wenn aber so penetrante Fotografen darauf hinweisen, nachdem so eine Aussage getätigt wurde wie „Kann man nichts machen.,“ wird verlegen gelächelt, das Gesicht wird leicht rot. Und dann drehen die Menschen sich um, und verlassen den Ort des Schreckens.

Mit so etwas will man nichts zu tun haben. Und die toten Tiere sollen auch gefälligst weggeräumt werden. Da will man ja nicht dran denken, wenn man in die Hähnenbruststreifen beißt, bei einem Glas Wein im Sonnenuntergang.

Während ich diesen Text schreibe, sind hunderte Tiere gestorben. Auf meinen Beitrag auf einer anderen Plattform bekam ich unzählige Nachrichten von Urlaubern aus allen Ländern, die an das Wattenmeer grenzen. Alle berichten von hunderten angespülter Tierkadaver. Morgens laufen Menschen in Seuchenschutzanzügen die Strände entlang und sammeln die Tiere ein und verbrennen sie. Natürlich ohne großes Aufsehen darum zu machen, um den Urlaubern den Spaß nicht zu verderben.

Und ich frage mich: Wo bleibt die Presse?
Seit Wochen wird über steigende Heizkosten berichtet, bis auch der allerletzte Mensch das wirklich nicht mehr hören kann. Es wird demonstriert, weil die Warteschlangen an Flughäfen so lang sind. Ja, das Personal bekommt nun auch mehr Gehalt. Wie schön. Dann kann man mit dem Flieger auch viel schneller wieder wegkommen von diesem Flecken Erde, von dem man zuvor in den Nachrichten nichts gehört hat und auch nichts wissen will. Irgendwo hin, wo es nicht nach Verwesung riecht und einem die Mitverantwortung damit ins Gehirn brennt.

Bei dem nächsten Bild scrollt bitte nur so hoch, dass ihr das Bild darunter noch nicht seht.
So sah die Brutkolonie vor 5 Tagen aus. Ich habe aktuelle Bilder gesehen. Nun sind nahezu keine Vögel mehr an dieser Stelle.
Hier das Bild

Damit das Ausmaß klar wird, habe ich auf dem Bild alle toten Tieren eingekreist. Erst dann wird es wirklich bewußt. Die kleinen Küken verschwinden zwischen dem Plastik, dem Kot und den großen, toten Altvögeln.

Ist das alles nicht pressetauglich? Es taucht so wenig auf in den Nachrichten. Dabei müsste es in die 20 Uhr Tagesschau.

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