Hallo zusammen, mir ist schon vor paar Tagen aufgefallen, dass an einigen Stellen (Wegesränder) schon abgemäht wurde und als ich heute Früh bei meiner Tautropfenwiese war, waren auch da schon die ersten Teile weg. Ich hab dann zufälligerweise einen Bekannten getroffen, dem wohl auch etwas davon gehört und er meinte, er wurde angerufen, dass dieses Jahr schon ab 1.8. zu mähen sei (statt sonst 1.9.). Ist das nicht total gegen die Natur? Im August sind immer die meisten Insekten in den Wiesen und die Schmetterlingsraupen sind an ihren Futterpflanzen (beides ist jetzt an manchen Stellen schon vernichtet) etc. Und manche Pflanzen kommen so evtl. gar nicht bis zu Samenbildung. Sicherlich gibt es noch einiges mehr. Oder weiß ich evtl. etwas nicht und es gibt doch irgendeinen Sinn dahinter (der für die Natur ist). Ich habe heute auch bei der Gemeinde angefragt - warte noch auf Rückmeldung. Gibt es so evtl. eine Art "zweite Blüte"? Ich hoffe jedenfalls nicht, dass es am Ende (wieder mal) menschliche Gründe sind... Vielleicht weiß einer von Euch Hintergründe - danke vorab! Viele Grüße |
Gerne steuere ich zu deiner Anfrage in groben Zügen die Vorgehensweise bei der Wiesenpflege in der Bayerischen Rhön bei.
Späte Wiesen-Mahd ab 01.08. oder 01.09. ist bei uns eher die Ausnahme. Vor einigen Jahrzehnten hatten wir hier noch eine Kleinbäuerliche Landwirtschaft, die noch nicht durch Industrialisierung und Intensivierung geprägt war. Traditionell erfolgte zu dieser Zeit in den Tallagen der erste Schnitt im Juni und ggf. ein zweiter Schnitt im Spätsommer. In den höheren Lagern ab 700 m wurde einschürig im Juli gemäht. Dabei Stand der Artenschutz noch nicht im Fokus. Es ging vorrangig um das Ernten qualitativ hochwertigen Viehfutters. Naturschutzgebiete waren damals trotzdem nicht notwendig, die Vielfalt der Natur war allgegenwärtig.
Das änderte sich mit zunehmender Industrialisierung der Landwirtschaft. Die heute übliche intensive Silage-Grünlandbewirtschaftung ist bekanntermaßen ein Desaster für die Biodiversität.
Die nachhaltige Wiesennutzung wird auch bei uns nahezu nur noch in Schutzgebieten fortgesetzt. Dabei gelten weiterhin o. g. Schnittzeitpunkte. Nur in Ausnahmefällen, wenn es um Schutzprogramme für sehr spezielle Arten geht, werden auch abweichende Mähtermin realisiert. In den Anfangsjahren des Naturschutzes wurden auch in der hohen Rhön mit späten Mähterminen gestartet. Der Schuss ging allerdings nach hinten los. Die Staudenlupine (ein Neophyt) hat diese Chance genutzt, sich invasiv ausgebreitet und dabei die heimische Flora abgedrängt. Dieses Problem hat man bis heute nicht mehr vollständig in den Griff bekommen.
Ganz so naturfreundlich wie früher ist die Wiesenpflege allerdings auch in den Schutzgebieten nicht mehr. Führer wurden noch große Flächen per Handsense gemäht, das war natürlich sehr schonend für Insekten und andere Wiesenbewohner. Den heute üblichen Kreiselmähern fallen dagegen viele Tiere zum Opfer. Dazu gibt es aber auch schon Verbesserungsansätze: erste Landwirte setzen bei uns Doppelmesser-Mähwerke ein. Damit wird der Traktor zu einem riesigen Balkenmäher und die Mahd ist wesentlich schonender und trotzdem produktiv.
Ganz wichtig: in den Schutzgebieten wird auch auf temporäre Teilbrachen gesetzt. Hier darf der Wiesenaufwuchs überwintern, Mahd erfolgt dann erst im nächsten Jahr.
Zwischenzeitlich Blicke ich auf eigenen Streuobstwiesen auch schon auf einige Jahrzehnte Erfahrung in Sachen Wiesenpflege im Sinne des Artenschutzes zurück. Mit der Mahd beginne ich Mitte Juni und bin dann bis Mitte August durch. Ich verwende entweder Balkenmäher oder in steilen Lagen eine Motorsense. Wenn ich im August die letzten Flächen mähe, gibt es auf den zuerst gemähten Bereichen schon wieder Nektarpflanzen und Nahrung für Raupen und Larven. Zusätzlich haben sich Rotationsbrachen bewährt, so kommen bei mir z. B. auch Weißbindige Wiesenvögelchen (C. arcania) und die Gemeine Sichelschrecke (P. falcata) vor. Beide Arten sind keine klassischen "Mähwiesen-Bewohner", sondern bevorzugen Biotope mit fortgeschrittener Sukzession und beginnender Verbuschung.
Die Wirkung der Pflege ist messbar. Tagfalter sind dabei als Indikatorgruppe gut geeignet, da die Artenzahl überschaubar ist und sich die meisten Arten auch gut im Gelände bestimmen lassen. Mit konstant ca. 50 Tagfalterarten bin ich mit meiner Bilanz recht zufrieden, das entspricht immerhin mehr als einem Viertel aller in Deutschland lebenden Arten dieser Gruppe. In der gesamten Rhön liegt die Anzahl der Tagfalter bei ca. 80 Arten.
Auch hier bei uns läuft natürlich nicht immer alles rund und es gibt noch jede Menge Verbesserungs-Potenziale ... wir arbeiten dran.
Herzliche Grüße
Wolfgang
Bei mir war es die letzten Jahre so, dass "meine Fotowiesen" ab 1.9. Stück für Stück abgemäht wurden. Und zu der Zeit auch die Wegränder etc. (von Feld-/Landwirtschaftswegen).
Und dieses Jahr geht es jetzt schon los. Ich befürchte, dass da weniger Naturschutzgedanke dahintersteckt, sondern menschliche Gründe. Ich warte aber nach wie vor auf eine Rückmeldung der Gemeinde.
Wobei ich Deinem Text entnehme, dass selbst ab 1.8. noch spät wäre und an sich nicht so schlecht. Ich hab in den letzten Jahren z.B. Schwalbenschwanzraupen an der Wilden Möhre gesehen - im August. Da wo das war, ist jetzt auch schon komplett nichts mehr - d.h. diese Eier/Raupen haben dann gar keine Chance mehr? Oder ist es immer ein Abwägen und Versuch das geringere Übel zu finden?
Von einem Bekannten habe ich erfahren, dass sich manche Menschen hier über das hohe Gras an Wegrändern beschwert hätten(??)
Wobei das auch nicht hieße, dass deswegen gleich die Felder auch gemäht werden müssten - muss noch eine andere Ursache geben.
Falls ich eine Antwort auf meine Anfrage bekomme, werde ich es hier noch posten.
Viele Grüße
Caroline
Ich war letzte Woche auch überrascht, als ich an meiner gemähten Wiese ankam. Dort waren immer so viele Bläulinge. Ich habe mich auch sehr gewundert, weil wo ich war sonst nie niemand ist. Es ist echt schade und ich kann dich vollkommen nachvollziehen, denn letztes Jahr war das um diese Zeit noch nicht so.
Viele Grüße
Viele Grüße!
Caroline
Ich vermute mal, dass die Wiese wegen Wald- und Grasbrandgefahr schon so frühzeitig gemäht wird.
Das wird eine Ausnahmeregelung für dieses Jahr sein.
Was den Rest betrifft, habe ich in in meiner Region in den letzten drei Jahren, die alle sehr trocken waren, beobachtet, dass die Pflanzen insgesamt um etwa drei Wochen dem üblichen Jahresrythmus voraus sind, d.h. für August, dass Wildpflanzen jetzt schon aussamen, was sie normalerweise erst Ende August, Anfang September tun würden.
Vermutlich ist der Klimawandel der Übeltäter, der sämtliche Jahreszeiten nach vorne verschiebt. Ob sich die Insekten und manche Pflanzen dem anpassen können, wird sich erst herausstellen, wenn sich das Wettermuster der letzten drei Jahre fortsetzt.
Dieses Jahr ist mir aber aufgefallen, dass ich wesentlich mehr Schmetterlinge im Garten hatte. Das wäre ein gutes Zeichen, was die Schmetterlinge betrifft.
Es kann also sein, dass das sehr frühe Mähen der Wiesen in deinem Bereich nicht unbedingt schädlich für die meisten Insekten- und Pflanzenarten ist, zumindest in diesem Jahr. Es wird sich aber erst nächstes Jahr zeigen, ob die Pflanzen und Tiere deiner Wiese es geschafft haben sich diesen versetzten Jahrezeiten anzupassen.
Was ich hier geschrieben habe, kann in andere Regionen Deutschlands durchaus anders sein, weil überall in Deutschland die Umgebungsbeschaffenheit und das Klimagefüge unterschiedlich sind.
Bei uns hier (südliches Oberbayern) ist es eigentlich gar nicht so trocken wie woanders in Deutschland. Es ist/war auch noch recht grün alles - eigentlich...
Für das Wochenende ist sogar Starkregen angesagt.
Es würde mich aber doch beruhigen, wenn es solche Gründe hätte, bzw. es am Ende der Natur weniger schadet, als ich momentan befürchte - von der Gemeinde habe ich noch keine Rückmeldung erhalten.
LG Caroline