Hallo Zusammen, an diejenigen, die in Lünen waren: wie ist denn das Siegerfoto aufgenommen worden? Ich habe es gerade bei Photopresse gesehen und muss schon sagen, dass ich sehr schockiert war, dass so ein Foto als "Natur"foto gesiegt hat. Ich könnte mir vorstellen, dass es in Lünen kontrovers diskutiert wurde ("... gehört auch zur Natur...", "...Dokumentation...", "... nicht nur die schönen Seiten der Natur zeigen..." etc.). Letztendlich zeigt es die Grausamkeit des Menschen, aber ob der noch Natur ist? Ich weiss, das Siegerfoto wird immer diskutiert - man kann es nicht allen Recht machen, aber hier spielt nicht nur der persönliche Geschmack, sondern auch das persönliche Empfinden und eine gewisse Art von Ethik und Respekt vor (auch toten) Tieren mit. Mich würde interessieren, wie Ihr das vor Ort erlebt und gesehen habt. Denn da war das Bild ja ziemlich gross anzusehen. LG |
ich war nicht in Lünen und habe das Bild auch nur auf der GDT-Seite gesehen. Dass es ein sehr extremes Bild ist, wage ich trotzdem zu sagen. Extrem sowohl in der Einordnung in die Naturfotografie als auch in der Intensität, vielleicht das berührenste Naturfoto, das ich je gesehen habe.
Was die Einordnung angeht, so finde ich die Aufnahme hart an der Grenze. In dem Moment, in dem der Affe auf dem Bild nicht mehr als Subjekt, sondern als vom Menschen (den man im allgemeinen Naturfotoverständnis ja nicht als Teil der Natur auffasst, was ich zumindest diskutabel finde, aber hier nicht hingehört) beeinflusstes Objekt in Erscheinung tritt, ist das nach meinem Empfinden nicht mehr unbedingt ein Naturfoto, sondern eher eines, das kulturelle Hintergründe und den Umgang der Menschen mit dem Affen widerspiegelt - ein Naturfoto wäre es viel eher, wenn es den Umgang des Affen mit dem Menschen aufzeigen würde, aber solche Bilder gibt es natürlich viel weniger. Ich wäre zumindest vorsichtig, jedes Bild, auf dem irgendetwas "Natürliches" dargestellt ist, als Naturfoto anzusehen... wobei ich natürlich auch zugebe, dass es in der Sparte "Mensch und Natur" ganz gut aufgehoben ist... andererseits ist die Grenze, an der das abgebildete Tier vom Subjekt zum Objekt wird, auch innerhalb dieser Rubrik fließend
Ich verstehe auch Sandra, wenn sie meint, sowas eigentlich gar nicht sehen zu wollen - es geht mir auch ein bisschen so. Es ist auch eine Frage der persönlichen Auffassung... am meisten Freude habe ich an der "puren" Naturfotografie, d.h. möglichst ohne sichtbare menschliche Einflüsse, und schöne Bilder, die zu betrachten einfach Spaß macht - sei es durch Geometrie, Farben, Motiv oder ähnliche Faktoren. Ein Bild wie dieses Siegerbild hätte ich in dieser Situation gar nicht gemacht - so etwas zu fotografieren, reizt mich einfach nicht, es ist für mich persönlich zu schrecklich, zu unerträglich. Solche Bilder gefallen mir nicht, wahrscheinlich geht es auch anderen so Aber sind Bilder, die man eigentlich gar nicht sehen möchte und die niemandem gefallen, wirklich Siegerbilder...?
Dass es in seiner provokativen Kraft eine gewisse Funktion ausüben kann und den Menschen die Situation der Affen dort geradezu schmerzhaft vor Augen führt, ist sicher ein Aspekt, den man nicht vernachlässigen sollte. Es mag sein, dass man mit der Veröffentlichung solcher Bilder tatsächlich sensibilisieren kann und vielleicht etwas erreicht. Insofern finde ich es wiederum gut und mutig von der Jury, diese Aufnahme zum Sieger zu küren.
Man sieht, ich möchte mich keiner Strömung direkt anschließen und bin ziemlich zwiegespalten, aber ich habe doch erhebliche Schwierigkeiten mit einem solchen Bild. Auf jeden Fall möchte ich nicht hoffen, dass sich dieser Trend zum Provokativen und möglichst Erschütternden in den nächsten Siegerbildern fortsetzt, denn repräsentativ sind derartige Aufnahmen für mein Verständnis von Naturfotografie keineswegs und andere Sparten (sogenannte Bestimmungsbuchfotografie, Landschaften, Tierportraits oder auch fotografisch Experimentelles wie Wischer) sind mir persönlich viel wichtiger.
Eine interessante Diskussion, finde ich, danke Sandra für den Anstoß.
LG, Lukas
Dazu noch die Auszeichnung des "BBC: Wildlife Photographers of the Year", der - wenn man es genau sehen würde - an eine Lichtschranke zu gehen hätte:
Wildlife Photographer of the Year: Gesamtsieger
Irgendwie stimmt da für mich die Balance nicht.
Mit diesem Bild ist für mich der Plan mich dort jemals als Mitglied zu Bewerben endgültig gestorben - selbst wenn ich gut genug wäre...
Es gibt nun mal eine Kategorie Mensch und Natur. Mensch = menschliche Hand. Natur=Affe. Also passt es in die Kategorie und hat was im Wettbewerb zu suchen. Das es gewonnen hat kann man sehen wie man will, ich fands gut.
Was gegen eine Lichtschranke auszusetzen ist, weiß ich nicht. Manche Aufnahmen können nicht anders entstehen, wie ich meine auch das Siegerbild der BBC.
Beste Grüße
Kev
Also nochmal: Danke für Eure Einblicke, sehr interessant.
Ich denke, es ist jedoch auch legitim, eine andere Meinung zuzulassen. Dieses Bild als Naturfoto anzusehen (und dann auch noch als Gesamtsiegerbild) ist schon etwas ungewöhnlich und für viele (mich eingeschlossen) nicht nachvollziehbar.
Trotzdem interessant, Eure Meinungen zu lesen!
Danke und
LG
Sandra
ich war nicht in Lünen und hab das Bild nur auf der GDT-Seite gesehen, aber auch in dieser "Winzig-Version" strahlt das Bild für mich eine Intensität aus, dass mir "fast der Kopf platzt".
Ich habe schon immer die auch "harte" Variante des Naturfotos begrüßt - jene die in eindrucksvoller und krasser Weise dokumentiert, wie "Natur" und "Mensch" aufeinander prallen. Ja... im Grunde ist das eher ein "Pressefoto" und es provoziert, aber beides finde ich keinen Widerspruch zum Begriff "Naturfoto".
Ich finde es sehr mutig und gut, ein Bild aus der Kategorie "Mensch und Natur" (die auch positive Beispiele darstellen kann!) zum Sieger zu küren.
Der einzige (winzige) Wermutstropfen für mich ist dabei: Wenn es um den "europäischen" Naturfotografen geht, warum nicht ein vergleichbares Bild mit ähnlicher (naturzerstörender) Aussageintensität aus Europa gewinnen konnte. Ich habe keine Ahnung wie es dem Menschen, dessen Finger man im Bild sieht, in Afrika geht - vielleicht hat er gar keine andere Wahl, um nicht zu hungern. Es ist leicht sowas als "Mahnmal" zu küren - fassen wir uns doch aber selbst an die eigene Nase... Ein Bild aus Europa würde natürlich kein menschenähnliches Affengesicht zeigen können, dass uns so "berührt", dennoch kann man auch hierzulande vergleichbare Ergebnisse fotografieren. Es geschieht vielleicht nicht oft genug, dass auch "unschönes" fotografiert wird und wird noch weniger gezeigt. Für uns ist der Begriff "Naturfoto" vielleicht schon zu sehr mit dem Wunsch verbunden, Natur so zu zeigen, wie sie hierzulande gar nicht mehr ist. Erst durch Ausblenden von "Störeinflüssen", Unnatürlichem und dem, was der Mensch hierzulande gemacht hat, wird es ein "Naturfoto". Oft haben wir große Mühe das zu realisieren, den die Situation vor Ort spiegelt ganz was anderes wider. Ich finde wir Naturfotografen sollten auch den Konfliktbereich zwischen Natur und Mensch fotografieren, dokumentieren, zeigen und damit auch (meinetwegen) "pressewirksam" was erreichen können/wollen, so wie sicher das Anliegen in dem Siegerbild.
Für mich ein Naturfoto (nach dem, was ich darunter verstehe).
Gruß, Thorsten
Es gubt nun mal die Kategorie "Mensch&Natur" im ENJ und da ich glaube dass das Siegerbild dort eingereicht wurde, hat es auch zu Recht sein Bereichtigung im Wettbewerb.
Ich hätte so ein Bild auch nicht erwartet, aber mir gefällt es trotzdem und ich finde es ist verdient Sieger.
Rio Tinto hat mir auch gut gefallen.
Für mich wars all in all ne gute Auswahl an Bildern...
Gruß
Kev
meiner Meinung nach war das Bild Provokation um der Aufmerksamkeit Willen, und davon ab als Bild noch nicht mal besonders gut. Es wird schwer werden, den Grad an Provokation noch mal zu übertreffen (das könnte sich mittelfristig durchaus als unklug herausstellen), und so ein Schocker nimmt auch den anderen Bildern die durchaus verdiente Aufmerksamkeit.
Ich fand den Schakal wegen der Aussichtlosigkeit der Situation weitaus bedrückender, und das Bild vom Rio Tinto hat mir (mal wieder, irgendwie vergesse ich das immer) die Folgen des Bergbaus vor Augen geführt.
Gruß, Uwe
die Bilder sind nun auch bei der GDT online.
Der Schakal ist in der Tat ebenso bedrückend - irgendwie mag ich diese Zeugen dessen, was der Mensch so anrichtet, gar nicht sehen. Es tut weh, es zu sehen, auch wenn man es natürlich als aufgestellter Mensch weiss - aber muss man es auch sehen? Es erinnert irgendwie an RTL Produktionen zur Tierhaltung ..... Die wollen auch aufwecken....
Meinst Du mit Rio Tinto das Siegerbild in der Kategorie "Mensch & Natur"? In der Grösse auf der GDT Webseite kann man so gar nicht sehen, was es zeigen soll - ausser Farben. Dafür muss man es wohl als grossen Print sehen.
Ob man mit dem vermuteten Ansinnen, Aufmerksamkeit für die Problematik der Affen zu erreichen, bei einem Wettbewerb des Europäischen Naturfotografen wirklich den richtigen Weg gewählt hat, sei dahin gestellt und ist m.M. nach zweifelhaft.
LG
Sandra
es ist für mich eher ein politisches Reportagefoto und kein Naturfoto im engeren Sinn. Man müsste hinterfragen, in welcher Situation z.B.sich die Menschen befinden, die das tun. Ich kann das so nicht bewerten, weil mir das Hintergrundwissen im Augenblick fehlt.
Viele Grüße
Reinhard