Ich bin jetzt nicht sicher, ob das hier die richtig Rubrik ist, aber ich stelle meine Frage einfach mal... Es geht um die Beweidung von Grünflächen in ausgewiesenen NSG. Dass dies schonender ist als der Einsatz eines Mähers und dass die Mahd nötig ist, um Verbuschung zu vermeiden, habe ich ja verstanden. Aber.... In der gesamten Region beobachte ich, dass sobald sich wieder etwas Grün am Boden zeigt, sofort wieder Schafe in den Gebieten auftauchen und alles sofort wieder kahl fressen. Was steckt dahinter? Werden nicht mit den Pflanzen auch zwangsläufig Eier, Raupen, Puppen von den dort lebenden Schmetterlingen gefressen? Auf den Wiesen, die immer ein Garant für zahlreiche Sichtungen an Faltern waren, ist seit längerem tote Hose. Keine Falter, keine Wiesenblumen nur noch Disteln - die schmecken wohl nicht Mir sind die Zusammenhänge nicht klar - vielleicht kann ja jemand etwas dazu sagen?? Viele Grüße |
Die Frage, die sich stellt ist, um welche geschützte Landschaftsform es sich handelt
und was man eigentlich schützen will. Naturschutz bedeutet in vielen Fällen "erhalt
einer Landschaftsform" und weniger "Schutz einer speziellen Spezies". Erhält man
Landschaftformen, schützt man gleichzeitig viele Tier- und Pflanzenarten.
Das Pflegen bzw. die richtige Pflege von Landschaften ist ein hochkompliziertes und
komplexes Thema, das nur schwer in Form einer Backanleitung zu behandeln ist.
Vor ein paar Monaten habe ich in einem Forum, in dem in etwa dieselbe Frage aufkam,
etwas zum Thema Mahd und Beweidung geschrieben. Ich kopiere das einfach mal hier
hinein.
[...]
"Das Thema Mahd ist ein kompliziertes Thema, weil unsere Wiesen von
verschiedenen Schmetterlingsarten mit völlig unterschiedlichen Habitats-
ansprüchen und Flugzeiten bewohnt werden. Was für die eine Art
schlecht ist, kann für die andere Schmetterlingsart widerum sehr gut
sein. Nehmen wir doch mal als Beispiele den Schwalbenschwanz und
den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Wird die Wiese erst spät
im Herbst gemäht, wird es den Schwalbenschwanz des Frühjahrs
sehr freuen, weil sich seine im Frühling und Sommer abgelegten Eier
(an Wilder Möhre, Dill, Kleine Bibernelle) sehr gut zu Raupen, Puppen
und fertigen Faltern entwickeln können - sogar 2x, weil Schwalben-
schwänze 3 Generationen im Jahr 'auswerfen'. Eine ausschließliche
Herbstmahd mag aber der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling,
der erst im Juli erscheint, nicht besonders, weil durch eine ausgebliebene
Mahd im Mai, seine Wiesen dermaßen zugewuchert sind, dass für die
Futterpflanze der Raupen (Großer Wiesenknopf) kaum Platz zum Wachsen
bleibt. Der Wiesenknopf würde durch andere Pflanzen wie Möhre und Co
verdrängt. Anhand dieser zwei Beispiele kann man erkennen, dass der
günstigte Zeitpunkt einer Mahd nicht pauschal festgelegt werden kann.
Die Erfahrung hat gelehrt, dass von Hand bewirtschaftete Flächen in der
Regel den meisten Arten zugutekommt. Bauer Müller hat früher seine
große Wiesen mit der Sense bearbeitet. Ist er am Ende seines großen
Grundstückes angekommen, stand der Anfang seiner Wiese schon wieder
in voller Blüte. Dadurch entstand unfreiwillig eine Wechselwirtschaft,
wodurch viele Tier- und Pflanzenarten profitierten. Zudem besaßen
dadurch auch viele Arten die Möglichkeit auszuweichen. Wenn heut-
zutage die großen Mähmaschinen über die Wiesen brausen, hat weder
das kauernde Kitz, noch Wiesenvögel, Hasen oder Insekten eine Chance.
Das Rekonstruieren der Handbewirtschaftung wäre die beste Lösung, aber
leider ist diese Lösung auch die aufwendigste und teuerste Lösung. In
der Rhön, um sie als Beispiel aufzuführen, werden viele Flächen mit
Schafen beweidet. Fast kein anderes nutztier bringt so viele Vorteile mit,
um die typischen, wertvollen und blühenden Hochebenen der Rhön
naturschonend zu bewirtschaften. Die Beweidung durch das Rhönschaf
ist eine grundlegende Voraussetzung, um die Rhön als traditionelle
Kulturlandschaft in ihrer heutigen Form zu erhalten. Dabei lässt man
nicht einfach willkürlich riesige Herden über Flächen trampeln, sondern
steckt vielfach Flächen ab, sodass 1/3 der Fläche unbeweidet bleibt.
Das hat den oben beschriebenen Vorteil, dass Nischen für spezielle
Arten geschaffen werden und, dass Arten auch ausweichen können."
[...]
"Es geht ja vielerorts gar nicht mehr um aktuell landwirtschaftlich
genutzte Flächen sondern um artenreiche Flächen, die früher land-
wirtschaftlich bzw. wirtschaftlich genutzt wurden. Um diese
artenreichen und wertvollen Flächen (z.b. Trockenrasen -
Halbtrockenrasen - Moore - Rietflächen - Feuchtwiesen -
Mittelwälder) mit ihren habituellen Eigenschaften zu erhalten,
ist eine maßvolle und individuelle Pflege notwenig. Die einstigen
Nutzungen müssen sozusagen simuliert werden, um die Landschafts-
formen zu erhalten. Das ist ein Kampf gegen Windmühlen. Dort wo früher Körbe
geflochten wurden entstanden Kopfbäume. In Regionen wo Dächer
traditionell mit Riet (Reid) abgedeckt wurden, entstanden wechseldichte
Schilfgürtel und offene Uferzonen. Dort wo früher Torf gestochen wurde,
entstanden wechseloffene Hoch- und Niedermoore. Dort wo früher
Brennholz 'geerntet' wurde, entstanden Mittelwälder. Dort wo der
Bauer sein unwegsames Land von Hand bearbeitet hat, entstanden
blühende Wiesen. Nicht vergessen darf man die traditionellen
Bewässerungssysteme. Das Simulieren dieser traditionellen
Bewirtschaftungsformen verschlingt immense Kosten und ist extrem
zeitaufwändig. Träger sind oftmals der Bund, das Land und
Naturschutzverbände. So beauftragen sie z.b. Schäfer damit,
periodisch Wiesen zu pflegen. So werden in vielen Fällen ehrenamtlich
Kopfbäume geschnitten sowie Bäume und Sträucher aus Moore, Trockenrasen
und Mittelwälder geschlagen oder Riet geerntet - alles ohne finanziellen oder
landwirtschaftlichen Nutzen.
Als Gartenbesitzer weiß man wieviel Aufwand nötig ist, den Zustand seines
kleinen Gartens zu erhalten. Als Gartenbesitzer hat man auch einen guten
Überblick wann die Tomaten geerntet und der Rasen wieder gemäht werden
muss. Ein Blick aus dem Fenster reicht! War der Winter und Frühling lang und
kalt, wird der Gartenbesitzer erst später sein Gemüse und Obst ernten können.
Auch der Strauch- bzw. Rosenbeschnitt wird dem Wetter angepasst. Hat es lange
nicht geregnet und war es über einen langen Zeitraum heiß, wird der Gartenbesitzer
seinen Rasenmäher seltener aus dem Schuppen holen. Ähnlich individuell hat der
Bauer früher seine Nutzflächen bewirtschaftet, weil er das Wetter und den Zustand
seiner Ländereien bestens im Blick hatte. All das müsste heutzutage innerhalb der
Pflege wertvoller Flächen berücksichtigt werden, was nahezu unmöglich ist. Das heißt,
dass vielerorts kurzfristige Pflegepläne erstellt werden müssten, was organisatorisch
kaum umsetztbar ist. So passieren immer wieder Fehler wie z.b. zu frühe oder zu
späte Mahd oder zu intensive oder zu schwache Beweidung wertvoller und geschützter
Flächen.
Das Frühjahr und der Sommer 2012 war vielerorts extrem trocken. Die geringen
Niederschlagswerte erreichten in weiten Teilen Deutschlands Rekordwerte. Dennoch
rannten Schäfer wie jedes Jahr zur gleichen Zeit mit der gleichen Anzahl Schafe über
angeschlagene Flächen. So fand ich Flächen, die weniger an extensiv beweidete Flächen
sondern viel mehr an Mond- und Wüstenlandschaften erinnerten, weil eben die individuell
dem Wetter und dem Zustand angepasste Pflege fehlte. Doch wer war Schuld? Der Schäfer?
Nein! Schließlich beweidet er nur mit seinen Schafen im Auftrag entsprechende Flächen.
Die Auftraggeber? Jein! Schließlich fehlt es an allen Ecken und Enden an Mitarbeitern, Helfern
und Geld, Flächen zu kontrollieren. Bin ich es Schuld? Irgendwo schon, weil ich mittlerweile
mehr fotografiere als mich dem Naturschutz zu widmen."
Eine Lanze möchte ich auch für Ziegen und Esel brechen . Es ist vielerorts zwingend
notwendig Flächen mit Ziegen und Esel zu beweiden, weil ansonsten wertvolle Freiflächen
durch stark wuchernde Sträucher (Schlehe, Weißdorn und Co) in wenigen Jahren
vollkommen verbuschen würden. Esel und Ziegen mögen halt im Gegensatz zu Schafen
härtere und 'widerspenstigere' Kost und verhindern so das Zuwachsen einer Fläche.
Durch die "Huftritte" und weil sie sich gerne auf dem Boden wälzen, schaffen sie auch
kleinere, offene Störstellen, die widerum wichtig für sandliebende Tier- und Pflanzenarten
sind.
vg - Markus
danke für die anschauliche und ausfühliche Erklärung!!!
Nach meinem subjektiven Empfinden wird halt mehrfach im Jahr beweidet in gefühlt sehr kurzen Abständen.
Damit drängt sich die Frage auf, ob da ein Konzept, Unwissenheit oder Kommerz dahinter steckt.
Da mit einer großen Zahl an Tieren immer komplette Areale beweidet werden, ohne dass Randstreifen stehen bleiben - und das Ganze dann noch öfter wiederholt, könnte das ja zum Schaden aller Insekten sein.
Das war meine Frage und auch meine Sorge...
Viele Grüße
Rolf
Eine Ferndiagnose kann ich da nicht abgeben. Auch wenn in Einzelfällen kurzmattige
Habitate durchaus einen Lebensraum für spezielle Arten (z.b. Steinschmätzer-, Berghexen-,
Rostbinden usw.) bieten, klingt deine Beschreibung nicht besonders 'gesund'. Ich empfehle
Dir beim zuständigen Umweltamt mal telefonisch anzuklingeln. Die sind meistens sehr
auskunftfreudig. Ich würde einfach mal nachhorchen, welche Ziele dort mit der starken
Beweidung verfolgt werden. Innerhalb des Gesprächs kannst du dann ja auch deine
negativen Beobachtungen mit einfließen lassen. Oftmals ist das Umweltamt dankbar über
entsprechende Hinweise .
vg - Markus
eine gute, ausführliche Darstellung, ich stimme voll zu.
LG Thorsten
Das finde ich prima! Ich versuche mich gerade in ein solches Projekt hier in der Nähe einzubringen und kann mir hier wichtige Infos herausholen. Schafe...das wäre eine Idee. Ich hoffe das es akzeptiert wird.
Danke Markus für die Infos und die Mühe!
Liebe Grüße Ute
bei uns gibt es einige Naturschutzflächen die von Schafen beweidet werden. Natürlich in Absprache mit uns, dem ortsansässigen Naturschutzverein.
Eine Alternative zur Schafbeweidung ist die zeitrichtige Maht, hat beides Vor- und Nachteile.
In unwegsamen Gelände gibt es zur Schafbeweidung kaum Alternativen, in Hanglagen zum Beispiel, gut erreichbare Flächen werden eh von der Landwirtschaft genutzt.
Klar ist es so, das Schafe auch seltene Pfanzen fressen und die Insektenzahl zeitweise dezimieren, aber was wäre denn die Alternative?
Das sich bei uns in Mitteleuropa alles wieder zu Wald entwickeln würde, das geht erstaunlich schnell.
Diese Freiflächen sind ja erst durch menschlichen Einfluß zum dem geworden was man vorfindet, ohne unser Zutun, mit Hilfe von Schafen, würden diese Flächen völlig verschwinden.
Wurde denn die Schafbeweidung intensiviert? Wenn nein, ist doch alles o.k.
Sonst wären die Wildkräuter und damit auch die Insekten ja schon verschwunden.
Schafe gehen ja noch, Ziegen sind viel radikaler!
Mein alter Prof. pflegte zu sagen: "Schafe fressen ja schon viel, aber immer noch selektiv, Ziegen fressen alles, die fressen sogar Bestimmungbücher"
LG Thorsten
Ich kenne mich da nicht aus, aber ohne Genehmigung darf der Schäfer ja wohl kaum auf die Flächen (die ja für "normale" Besucher sogar mit Betretungsverbot belegt sind).
Also müsste ja der Naturschutz gewährleistet sein, was ich aber angesichts des augenscheinlichen Rückgangs an Insekten nicht richtig glauben kann.
Fehlt es schlicht an Kontrolle?
Viele Grüße
Rolf
ich bin kein Fachmann für Beweidung; ein guter Freund von mir ist jedoch Schäfer. Viele Habitate in meiner Gegend brauchen sogar eine Schafsbeweidung, weil sich sonst die ganze Landschaftsstruktur ändert und damit auch bestimmte Arten wegfallen. Hier kommt es natürlich darauf an WIE beweidet wird. Stellt der Schäfer einen vollen Pferch auf eine Fläche, ist dort natürlich alles tot. Beweidet er mit der richtigen Anzahl an Tieren und im richtigen Tempo ist alles schick. Es kommt halt wirklich im Einzelfall darauf an, was die Schafe im Habitat tun müssen.
Soweit mir bekannt achtet man hier sehr oft sehr genau darauf, wie und durch wen in NSGs beweidet wird.
VG, Michael
Dummheit gepaart mit der Not,dass zu viele Wiesen inzwischen für Mais und Raps genutzt werden,da bleiben für die Schafherden immer weniger Weiden übrig.
Es gibt aus meiner Sicht zwei Dinge,die geradezu tödlich für Insekten bei Schafsbeweidung sind.
Zum Einen fressen die Schafe am liebsten die Blüten,dadurch können sich die Pflanzen nicht aussamen,die Beweidung wird in zu kurzen Abständen wiederholt.
Zum Anderen wird immer die komplette Wiese beweidet,und nicht,wie es erforderlich wäre,nur zwei Drittel oder in Streifen,sodaß sich ein Teil der Pflanzen regenerieren und aussäen könnte.
Das kann ich leider unserem Schäfer hier auch nicht klarmachen.
Schmetterlinge gibt es doch genug,sagt er.
Gruss
Otto