Ich bin Betreiber des Forums für Naturfotografen, verantwortlich für meine eigenen Seiten, und an der Wartung bzw. Entwicklung einiger Anderer beteiligt.
Aus dieser Sicht möchte ich den aktuellen Stand des Konzeptes für den Schutz der Jugend im Internet betrachten.
Ich bin kein Jurist und kein Jugendschützer, daher mögen einige meiner Deutungen falsch sein, aber dasselbe Problem dürften 99% der Anwender auch haben.
Teil 2 der Serie beschäftigt sich mit dem System zur Altersklassifizierung von Inhalten (Domains bis hinunter zu Seiten) von
http://www.altersklassifizierung.de.
In Teil 3 sehe ich mir den technischen Standard zur Beschreibung der Klassifizierung an. Er erlaubt dem Server, den Jugendschutzprogrammen die für ihre Arbeit notwendigen Informationen zukommen zu lassen.
In Teil 4 stelle ich die Frage nach den Folgen der Technik, und gehe noch auf einige Schwierigkeiten und Tücken bei der Umsetzung des Standards ein.
Der geplanten Jugendschutz im deutschen Internet
Grundlage des Jugendschutzes im Internet ist nach dem Scheitern der Novelle von 2010 der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) von 2003.
Er gibt Anbietern von die Entwicklung gefährdenden Inhalten diese zwei Möglichkeiten:
- durch technische oder sonstige Mittel die Wahrnehmung des Angebots durch Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe unmöglich machen oder wesentlich erschweren oder
- die Zeit, in der die Angebote verbreitet oder zugänglich gemacht werden, so wählen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe üblicherweise die Angebote nicht wahrnehmen.
Möglichkeit #2, als Sendezeitbeschränkung bekannt, ist praxisfern. Die Leute, die solche Inhalte haben möchten, möchten sie auch vor 23 Uhr haben, und werden Mittel und Wege finden, an sie heran zu kommen, und sei es illegal über Raubkopien. Und die Leute, die solche Inhalte verkaufen müssen, werden vermutlich auch Mittelsmänner im Ausland finden können (wir reden hier immerhin von einer Branche, die sowieso nicht fern von Grauzonen ist).
Möglichkeit #1 war bisher mangels entsprechender Software und passender Standards nicht gegeben. Daher schwebte Möglichkeit #2 als Damoklesschwert über den Porno-Anbietern und denen, die an Porno mitverdienen - beispielsweise denen, die die Leitungskapazität bereitstellen - und es gab und gibt es einigen Druck, die technischen Mittel zu schaffen, Kindern und Jugendlichen den Zugang zu beeinträchtigenden Inhalten zu erschweren.
Nun ist die notwendige Filtersoftware in einem fortgeschrittenen Stadium - die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat am 8.2. zwei Jugendschutzprogramme anerkannt, und auch eine öffentliche "Beta" eines Klassifizierungssystem der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM e.V.) ist verfügbar.
Damit gibt es nun zum ersten Mal etwas Konkretes, an Hand dessen man das beurteilen kann, was da kommen soll.
Vorgezogenes Fazit
Teil 2: Das System zur Klassifizierung hilft uns für das Forum auf inhaltlicher Ebene überhaupt nicht. Es neigt zu übertriebenen Einstufungen. Es ist ausserdem von einem ausgeprägten Mißtrauen gegenüber Plattformen geprägt, die von von Benutzern verfaßte Inhalte bereitstellen. Darüber hinaus vermischt es den Schutz der Benutzer mit dem Schutz der Besucher.
Die Regeln hinter dem System liegen nicht offen, was es unmöglich macht zu prüfen, ob das System wirken die gesellschaftlichen Standards abbildet.
Teil 3: Die Spezifikation für die Übermittlung der Klassifizierung ist und für große oder häufig aktualisierte Websites unzureichend. Sie hat einige Sicherheitslücken in Größe von Scheunentoren und wird der Realität des Webs im Jahre 2012 in keiner Weise gerecht. Auch dieses verheerende Fazit wird allerdings den Problemen in der Spezifikation nicht gerecht.
Teil 4: Es gibt einige praktische Probleme bei der Umsetzung der Klassifizierung. Bisher scheint eine Technikfolgenabschätzung ausgeblieben zu sein, und mangeln konkreten bekannten Zielen ist sie auch schwierig, wenngleich sie wünschenswert wäre.
Es zeigt sich auch, daß das alte, bestehende Seiten wahrscheinlich nicht korrekt, sondern übervorsichtig und pauschal statt Einzelfallbasiert, klassifiziert werden dürften.