Hier nun also das Ergebnis meiner Suche nach der Rätselhaften Pechlibelle auf den Azoren. Der deutsche Name "Rätselhafte Pechlibelle" bezieht sich auf die Eigentümlichkeit, dass auf den Azoren nur Weibchen feststellbar sind.
Wie man hier gut erkennen kann, ist das Flügelmal matt orange gefärbt. Diese Libellen werden lt. Literatur 20-27mm groß und sind damit fast so klein wie die Zwerglibellen. Junge Weibchen sind (wie hier zu sehen) orange gefärbt. Nach 5-6 Tagen wechselt die Farbe über oliv und violette Töne die zu einem braunton mit einer grauen Bereifung. Diese Bereifung ist innerhalb der Gattung Ischnura einzigartig.

In Europa kommt I.Hastata ausschliesslich auf acht der neun Azoreninseln vor. Von der Insel Graciosa gibt es noch keinen Nachweis. Sie ist die häufigste Art auf dem Achipel, aber trotzdem aufgrund ihrer Größe, Farbe und Ihres Verhaltens nicht so leicht zu entdecken. Die Männchen ließen sich - sofern sie auf den Azoren vorkommen würden - einfach und zweifelsfrei erkennen: Im Forderflügel liegt das Flügelmal nicht an der Flügelvorderkante , sondern in der Flügelfläche. Auch ihre gelbe Farbgebung (Engl.: Citrine Forktail) würde hervorstechen. Das Ursprungsgebiet der Libelle umfasst weite Teile Amerikas, dort gibt es auch Männchen.

Das "rätselhafte" dieser Art ist das fehlen der Männchen in der Population auf den Azoren. Damit verbunden ist eine ungeschlechtliche Vermehrung (Parthenogenese), die man zwar auch von anderen Insekten kennt; aber bei Libellen einzigartig ist. Sie legen also unbefruchte Eier ab, aus denen wiederum nur Weibchen schlüpfen.
Man hat in aufwändigen Laboruntersuchungen geprüft, ob eine bakterielle Infektion zum Fehlen der Männchen auf den Azoren geführt hat. Das konnte ausgeschlossen werden. Infektionen mit Bakterien sind bei anderen Wirbellosen oft die Ursache für diese Besonderheit. Da Bakterien als Ursache ausgeschlossen wurden, könnte hier eine Tychoparthenogenese vorliegt. Der Begriff leitet sich aus dem griechischen ab. Man könnte es mit "Schicksalhafter Jungfräulichkeit" übersetzen. Die Tychoparthenogenese ist ein interessantes biologisches Phänomen, das zeigt, wie Organismen sich an ihren Lebensraum anpassen können. In Zeiten von Habitatveränderungen oder verminderten Populationsgrößen könnte diese Fortpflanzungsstrategie es bestimmten Arten ermöglichen, in der Natur überlebensfähig zu bleiben. Ich finde die "Schicksalhafte Jungfräulichkeit" ist ein faszinierendes Thema, das die Grenzen der traditionellen Fortpflanzungsbiologie erweitert und interessante Fragestellungen zur Anpassung und Evolution aufwirft. Bei den Menschen ist mir nur ein Fall bekannt, der aber über 2000 Jahre zurück liegt Bild: Lächelndes/zwinkerndes Gesicht

Viele Grüße: Andreas

Quellen:
- Taschenlexikon der Libellen Europas (Hansruedi Wildermuth und Andreas Martens)
- Libellen Europas 2. Auflage (Klaas-Douwe B. Dijkstra / Asmus Schröter)
- Thelytokous parthenogenesis in the damselfly Ischnura hastata (Odonata, Coenagrionidae): genetic mechanisms and
lack of bacterial infection (M. O. Lorenzo-Carballa / A. Cordero-Rivera)